Die Galapagos-Inseln, Unesco-Weltnaturerbe, sollen US-Militärstützpunkt werden

Präsidentschaftswahlen in Ecuador

Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko


Zeitgeschehen im Fokus Sie verfolgen die Entwicklung in Lateinamerika, so auch in Ecuador, schon länger. Wie wird das Land regiert?
Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko Ecuador wird aktuell von einem Übergangspräsidenten, Daniel Noboa, regiert. Er ist Spröss­ling einer Oligarchenfamilie, die durch Bananenhandel zu Reichtum gelangt ist. Sie hatte riesige Bananenplantagen, wovon sich unter anderem der Begriff «Bananenrepublik» ableitet. Sein Vater gilt als der reichste Mann Ecuadors. Daniel Noboa ist in Miami, in den USA, geboren und mit 35 Jahren zum Präsidenten gewählt worden. Es war zu erwarten, dass er eine Politik im Interesse der USA, aber auch der Grossgrundbesitzer, der Oligarchen, führt.

Am 10. Februar sind Präsidentschaftswahlen. Ist ein Regierungswechsel realistisch?
Das ist offen. Diese Wahl ist jedoch für den weiteren Kurs des Landes entscheidend. Daniel Noboa ist seit gut einem Jahr Interimspräsident. Der Grund dafür war der Rücktritt seines Vorgängers Guillermo Lasso. Er war rechts, das heisst ausgerichtet auf die USA und neoliberal. Daniel Noboa stellte sich für die verbleibenden anderthalb Jahre zur Wahl und gewann knapp gegen die linke Correîsta, Luisa González.

Im Westen haben wir eine Vorstellung davon, was «rechts» oder «links» ist, trifft das auf Lateinamerika auch zu?
Nein, es ist hier etwas anders gelagert. Neben einer sozialen Wirtschaftsform, die sich gegen den Neoliberalismus stellt, bedeutet «links» in Lateinamerika Schutz und Förderung der nationalen Souveränität. Das heisst, keine Abhängigkeit von den USA und somit keine Stationierung von US-Militär auf dem eigenen Territorium, während «rechts» in der Regel wirtschaftlichen Neoliberalismus und Abhängigkeit von den USA, etwa Stationierung von US-Militär, bedeutet. Das unterscheidet sich vom europäischen Sprachgebrauch. Wenn in Westeuropa ein Präsident oder ein Regierungschef eines Landes mehr Souveränität fordert, weniger Nato, mehr Unabhängigkeit, wird er meistens als «rechts» deklariert.

Durch diese Präzisierung kann man die Entwicklung verstehen, sonst ordnet man die Politik des jeweiligen Staats falsch ein. Zurück zu den Wahlen.
Am 10. Februar treten Noboa und González wieder zur Wahl an. Es gibt keine anderen relevanten Kandidaten.

In den anderthalb Jahren unter Noboa ist sehr viel geschehen, was einen alarmieren sollte. Dazu gehört unter anderem die Stürmung der mexikanischen Botschaft in Ecuador, weil der vormalige Vizepräsident von Rafael Correa, Jorge Glas, dort Asyl bekam, nachdem man ihn seit Jahren juristisch verfolgt hatte. Mit dem Vorwurf angeblicher Korruption wird die jahrelange juristische Verfolgung gegen ihn begründet.

Ich habe mich intensiv mit der Situation auseinandergesetzt und Jorge Glas im Jahre 2020 im Gefängnis besucht. Dabei gewann ich den Eindruck, dass es sich um ein sogenanntes «Lawfare», eine politisch motivierte Justiz, handelt, wie sie auch Lula da Silva oder Dilma Rousseff in Brasilien erleben mussten. Vor zwei Jahren wurde Glas aus dem Gefängnis entlassen und sollte kurze Zeit später erneut verhaftet werden, doch er floh in die mexikanische Botschaft in Ecuador. Dort gewährte man ihm Asyl. In der Folge stürmten ecuadorianische Sicherheitskräfte die mexikanische Botschaft und entführten ihn. Seit diesem Vorfall sitzt er im Gefängnis.

Das Vorgehen der Regierung ist ein eklatanter Bruch des Wiener Abkommens über diplomatische Beziehungen, eine Verletzung der Immunität von Botschaften. Das habe ich noch nie erlebt.  

Wie war das damals bei Assange?
Bei Julian Assange gab es einen anderen Ablauf. Als Correa Präsident war, floh Assange in die ecuadorianische Botschaft in London und bekam dort politisches Asyl. Nach seiner zweiten Amtszeit konnte Correa nicht wiedergewählt werden und empfahl einen Politiker aus seinen Reihen, Lenín Moreno, zur Wahl. Er wurde auch gewählt, hat seine Einstellung aber um 180 Grad geändert und mit den USA zusammengearbeitet. Unter diesem Präsidenten musste Assange die ecuadorianische Botschaft verlassen. Die Briten haben hier nicht die Botschaft überfallen, sondern die Immunität sechs Jahre lang respektiert. Das war kein Bruch des Wiener Übereinkommens. Bei Lenín Moreno war das richtiggehend ein Verrat, da der neue Präsident nach seiner Wahl, die er dank Correa gewonnen hatte, eine Kehrtwende vollzog, nicht nur in dieser Frage, sondern auch wirtschafts-, aussen- und innenpolitisch, bis er dann 2021 zurücktrat. Bei der Wahl 2021 hatte man nach dem Rücktritt von Lenín Moreno erwartet, dass wieder ein linker Kandidat oder eine linke Kandidatin haushoch gewinnt. Das war die Stimmung, die ich selbst empfunden habe, als ich zu dieser Zeit in Ecuador war.

Warum wurde der linke Kandidat nicht gewählt?
Es gibt in Ecuador zwei «linke» Strömungen: die correîstische Linke und eine links-grün alternative, indigene Linke. Letztere hatte auch recht grossen Rückhalt. Diese Spaltung führte schliesslich dazu, dass ein konservativer Bankier, Guillermo Lasso, die Wahl gewinnen konnte.

Das heisst, es gab eine gewisse Kontinuität.
Ja, Lasso setzte den Kurs der weiteren Annäherung an die USA fort und hatte bereits das Militärabkommen mit den USA unterschrieben, das den dort stationierten US-Soldaten vollständige Immunität gewährt. Dazu muss man wissen, dass die USA 800 Militärstützpunkte ausserhalb des eigenen Territoriums besitzen. Sie bauen gerade in Lateinamerika ihre Stützpunkte aus, wobei die Soldaten von jedweder Strafverfolgung ausgenommen sind, so wie das teilweise auch bei Diplomaten der Fall ist. Die Entwicklung liess sich bereits unter Lasso beobachten.

Neu ist, dass der jetzige Präsident Noboa wenige Wochen vor den Neuwahlen, also im Dezember 2024, ein Abkommen mit den USA geschlossen hat, das ihnen ermöglicht, die Galapagos-Inseln militärisch zu nutzen. Das Verfassungsgericht hat das abgesegnet, obwohl der Wortlaut der Verfassung das ausdrücklich untersagt. Das ist die aktuelle Situation. Das Verfassungsgericht beugt sich offenbar den politischen Vorgaben, letztlich den USA.

Neben dem Bruch der Verfassung scheint in Ecuador unter der konservativen Regierung auch internationales Recht keine Rolle zu spielen.
Ja, das Stürmen der mexikanischen Botschaft ist etwas Ungeheuerliches. Nach dem Vorgang habe ich auch die Bundesregierung befragt, denn Jorge Glas ist auch deutscher Staatsbürger. Er stammt aus einer jüdischen Familie, die vor den Nazis geflohen ist.
Wenn dieser Vorgang, die Stürmung einer Botschaft, in der aktuellen Weltlage Schule macht, dann ist das das Ende des internationalen Rechts, das ohnehin geschleift und durch die «regelbasierte Ordnung» – ein reiner Propagandabegriff der Nato – ersetzt werden soll. «Regelbasierte Ordnung» impliziert, dass der Westen seine eigenen Regeln definiert, nach denen die Welt sich zu richten hat. Die «regelbasierte Ordnung» führt weg von den internationalen Gesetzen und Übereinkommen. Es handelt sich beim Stürmen der mexikanischen Botschaft um einen gefährlichen Präzedenzfall, an dem sich offensichtlich kaum jemand stört. Mexiko klagt vor dem IGH, aber das Verfahren läuft noch.

Die Galapagos-Inseln haben doch für die Natur eine ganz spezielle Bedeutung?
Ja, sie sind etwas ganz Besonderes. Sie sind nicht ohne Grund Weltnaturerbe der Unesco. Dort gibt es eine einzigartige Flora und Fauna bedingt durch die geographische Lage, nämlich vom amerikanischen Festland abgetrennt. Die Inseln waren für Charles Darwin eine entscheidende Inspiration der Evolutionstheorie. Sie sind ein Juwel der Menschheit. Aus Sicht der USA haben sie eine ganz andere Bedeutung, denn sie sind im Südpazifik geostrategisch sehr relevant, um bei einer möglichen Konfrontation mit China einen weiteren Stützpunkt für die Marine und die Luftwaffe zu besitzen. Die Unesco müsste jetzt darauf reagieren, dass dort eine Militärbasis errichtet werden soll. Es gibt dort zwar Proteste, aber bislang ist mir eine Stellungnahme von der Unesco nicht bekannt. Es wäre interessant zu wissen, warum sie keinen Alarm schlägt. Oder sie tut es, aber es wird in unseren grossen Medien nicht aufgegriffen. Es ist doch von grosser Bedeutung, dass kulturelle Schätze und Naturschätze besonderen Schutz geniessen, da sie für die ganze Menschheit Relevanz besitzen. Sie müssen gesichert sein vor wirtschaftlichen und militärischen Überlegungen. Bei der aktuellen Weltlage drohen solche Errungenschaften unter die Räder zu kommen. Empörend ist, dass die etablierten Medien nicht darüber berichten.

Wie begründen die USA den Aufbau der Basis auf den Galapagos-Inseln?
Im Vertrag steht, und das ist lächerlich, dass man Drogenbanden bekämpfen möchte. Das Ganze wird mit ehrenhaften Motiven umgarnt, damit verborgen bleibt, dass es um einen geostrategischen Stützpunkt geht. Die USA hatten in den letzten Jahren Lateinamerika «vernachlässigt». Es gibt auch Regierungen, die immer mehr auf Distanz zu den USA gehen. Mexiko unter Obrador und Brasilien unter Lula da Silva verstehen sich nicht als Statthalter der USA. Es gibt auch andere Regierungen, die durchaus kritisch sind. Die Kritiker sind nicht alle so scharf wie seinerzeit Correa, Chávez und Morales, aber Regierungen, die weder den USA sehr gewogen noch von ihr kontrollierbar sind. Inzwischen gibt es Länder, die aus der Sicht der USA eine Gefahr wegen ihres Unabhängigkeitsstrebens darstellen.

Ecuador und Peru dienen sich den USA an. In Peru ist immer noch eine nicht gewählte Präsidentin an der Macht, nachdem der vor drei Jahren gewählte links-souveränistische Präsident verhaftet worden ist. Sie hat überhaupt keine Unterstützung in der Bevölkerung. Hier wird jetzt US-Militär stationiert und auch in Argentinien unter Milei. Im Süden Argentiniens sollen ebenfalls Stützpunkte der USA eingerichtet werden. Die USA versuchen, überall auszuloten, wo es politisch möglich ist, die Dominanz über den Kontinent zurückzugewinnen.

Wer gewinnt die Wahlen?
Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Präsidentschaft in Ecuador. Die Kandidatin der linken Correîsten ist Luisa González. Das wird eine spannende Wahl, und sie wird, wenn es von der Unesco keinen Widerstand gibt, auch über das Schicksal der Galapagos-Inseln entscheiden.

Herr Bundestagsabgeordneter Hunko, vielen Dank für das Gespräch.
Interview Thomas Kaiser

Ausgabe Nr. 1 vom 16.01.2025