Neuauszählungen der Wahlzettel zwingend
Interview mit dem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko
Zeitgeschehen im Fokus In einzelnen Medienberichten war zu lesen, dass es bei der Bundestagswahl nicht mit «rechten Dingen» zu und her gegangen sei. Teilen Sie diese Einschätzung?
Bundestagsabgeordneter Andrej Hunko Es hat in der Tat sehr viele Unregelmässigkeiten gegeben. Beispielsweise gab es in meiner Stadt Aachen ein Wahllokal, wo wir 48 Stimmen hatten, das sind um die sieben Prozent, die zunächst komplett einer anderen Partei, dem «Bündnis Deutschland», zugeschlagen wurden. Wir sind darauf aufmerksam geworden, weil Wähler aus diesem Wahllokal abends zu unserer Wahlparty kamen und erzählten, dass sie BSW gewählt hätten, für das BSW dort aber keine einzige Stimme ausgewiesen wurde. Daraufhin beschwerten sich die Wähler bei der lokalen Wahlleitung, mit Erfolg. Der Fehler wurde offiziell korrigiert und die 48 Stimmen dem BSW zugeschlagen. Vergleichbare Fälle gab es in ganz Deutschland, von denen aber nur ein Teil nach unserer Intervention korrigiert wurde. Insgesamt erhielt das BSW auf diese Weise beim amtlichen Endergebnis 4277 Stimmen mehr, als beim vorläufigen Ergebnis, oder in Prozent ausgedrückt 4,981 Prozent statt 4,972 Prozent. Ich gehe aber davon aus, dass das BSW über 5 Prozent der Stimmen hätte, wenn alle Unregelmässigkeiten überprüft würden und neu ausgezählt würde.
Wer nimmt die Korrektur vor?
Das korrigiert die lokale Wahlbehörde. Es gibt drei Ebenen: die Kreisebene, die Landesebene und die Bundesebene. So etwas wird dann auf der Wahlkreisebene korrigiert. Sowohl die Landeswahlleiter als auch die Bundeswahlleiterin haben erklärt, keine Handhabe zu haben, um etwa in den Wahlkreisen neu auszuzählen. In Nordrhein-Westfalen [NRW] hat die Landeswahlleiterin in einer Mail alle 64 Kreiswahlleitungen gebeten, die Ergebnisse noch einmal mit Blick auf das BSW zu überprüfen. Es bleibt aber im Ermessen der einzelnen Kreiswahlleitungen, das auch zu tun. Neu ausgezählt wurde kein einziger Wahlkreis, nur vereinzelt Wahllokale. Dennoch kamen in NRW 1295 Stimmen für das BSW hinzu.
Wie kann so etwas passieren?
Ich gehe erstmal von unbeabsichtigten Fehlern bei der Übertragung aus. Das BSW war auf den Wahllisten in NRW auf Platz 16. Die Reihenfolge der Parteien auf den Listen richtet sich nach dem Wahlergebnis der letzten Wahl. Die Partei, die dort die meisten Stimmen gehabt hat, landet auf Platz 1. Das BSW als eine neue Partei konnte natürlich noch keine Stimmen vorweisen und wurde darum auf Platz 16 geführt. Die Namen der neuen Parteien werden alphabetisch gereiht, und deshalb war das «Bündnis Deutschland» vor BSW auf Platz 15. So können natürlich Übermittlungsfehler entstehen. Das kam systematisch in mehreren Dutzend Fällen in verschiedenen Bundesländern und verschiedenen Wahlkreisen vor. Dabei wurden alle Stimmen des BSW meistens dem «Bündnis Deutschland», aber manchmal auch anderen Parteien, komplett zugeschrieben.
Bei dem Vorgang in Aachen war es augenfällig. Bei der EU-Wahl gab es im gleichen Wahllokal 50 Stimmen für das BSW. Es gibt natürlich Fälle, die nicht so offensichtlich sind. Man kann das statistisch darstellen und so die Extremfälle herausfiltern. Es kann aber auch sein, dass nur einzelne Stimmen bei der Auszählung falsch übertragen wurden. «Bündnis Sahra Wagenknecht» und «Bündnis Deutschland» sind von der Bezeichnung her sehr nahe beieinander. Wenn es sich nur um eine oder zwei Stimmen handelt, lässt sich das von aussen nicht erkennen – anders als wenn es zehn oder mehr Stimmen wären. Nehmen wir ein Beispiel: Wir hätten 38 Stimmen und zehn wären fälschlicherweise dem Bündnis für Deutschland zugerechnet worden, dann wären sie statistisch nicht aufgefallen.
Mit wieviel Stimmenverlust muss man rechnen?
In Deutschland gibt es 299 Wahlkreise und etwa 90 000 Wahlbezirke – meistens deckungsgleich mit Wahllokal. Wenn allein dieser Fall in Aachen, der erste, der uns aufgefallen ist, und der sozusagen mit 48 nicht gezählten Stimmen repräsentativ wäre, hätten wir genug Stimmen bekommen, um in den Bundestag einzuziehen. Es gibt 299 Wahlkreise. Rechnet man die Zahl von 48 hoch, dann sind das 14 352 Stimmen, die BSW verlorengegangen sind. Uns fehlten zu Beginn ungefähr 13 400 Stimmen. Die Grenze wären 45 Stimmen pro Wahlkreis, dann hätten wir die verlangten 5 Prozent übersprungen.
Es gibt auch Übertragungsfehler von der lokalen Ebene auf die Landes- und auf die Bundesebene. Es ist sehr kompliziert, diese herauszufiltern. Auch diese Übertragungsfehler wurden teilweise korrigiert. Auffällig war, dass sie ebenfalls überwiegend zu Lasten des BSW gingen.
Es gibt aber noch eine weitere Unregelmässigkeit, die ohne Neuauszählung nicht auffällt: Das BSW ist überwiegend nur mit der für die Zusammensetzung des Bundestages entscheidenden Zweitstimme angetreten. Es gibt Berichte, dass Stimmzettel, in denen nur Zweitstimmen angekreuzt waren, für ungültig erklärt wurden. In Berlin tauchten plötzlich bei einer Nachzählung in 12 Wahllokalen zwei weitere BSW-Stimmen auf, obwohl von aussen keine statistischen Unregelmässigkeiten erkennbar waren. Rechnet man das auf ganz Deutschland hoch, hätten wir 15 000 Stimmen mehr, also mehr als 5 Prozent.
Sind die Leute, die die Wahlzettel kontrollieren und die Wähler über das Prozedere informieren, nicht umfassend geschult?
Ich gehe davon aus, dass bei den ungefähr 90 000 Wahllokalen diejenigen, die das administrieren, wissen, dass die Wahl auch nur mit Zweitstimme gültig ist. Ob die Instruktionen immer vollständig und umfassend waren, kann ich nicht beurteilen. Was sicher eine Rolle gespielt hat, ist, dass die Vorbereitungszeit für die Wahl extrem kurz war. Der ganze Verwaltungsvorgang, dazu gehören auch die Instruktoren der Wahlhelfer und der Vorstände der Wahlkreise, musste in kürzester Zeit organisiert werden. Die Schulung derjenigen, die diese Abläufe verwalten, konnte nicht so gründlich durchgeführt werden, wie es sonst der Fall ist, da keine normalen Fristen bestanden. Das ist alles mit unglaublicher Hektik gemacht worden. Es gab Fälle, bei denen Menschen nachgefragt haben, ob die Stimmabgabe gültig ist, wenn sie nur eine Stimme abgeben und zur Antwort bekamen, dass sie beide Stimmen ankreuzen müssten, denn sonst sei der Wahlzettel ungültig. Es ist ganz offensichtlich, dass die Wahlhelfer nicht vollständig darauf vorbereitet waren.
Wenn Sie das so berichten, drängt sich einem der Verdacht auf, dass das alles nicht ganz zufällig ist.
Ich gehe erstmal nicht davon aus, dass es das Resultat einer «Böswilligkeit» ist, es ist eher eine Folge der verkürzten Fristen. Wenn in jedem zehnten Wahllokal nur eine einzige BSW-Stimme falsch ungültig deklariert wurde, hätten wir genug Stimmen für die 5 Prozent. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Unregelmässigkeiten fordern wir eine komplette Neuauszählung. Das ist angesichts der politischen Tragweite auch verhältnismässig.
Wie reagiert man von offizieller Seite darauf?
Unterschiedlich. In NRW hatte die Landeswahlleitung 64 Kreiswahlleitungen um Überprüfung gebeten. Andere Landeswahlleitungen haben sich geweigert, so etwas zu tun. Aber was heisst überprüfen? Ist es, die vorher erwähnten statistischen Ausreisser zu identifizieren? Das sind aber nur die Extremfälle. Aber solche Fälle, bei denen einem die Ungereimtheiten nicht ins Auge springen, wie ich sie beschrieben habe, werden damit nicht erfasst. Das reicht nicht. Es braucht eine neue Auszählung zumindest der ungültigen Stimmen, aber eigentlich braucht es eine komplette Neuauszählung. Das zieht sich durch die ganze Republik. Anfangs hatte man uns lächerlich gemacht, wir würden wie Trump 2020 die Wahlniederlage nicht akzeptieren. Mittlerweile werden die Einwände ernster genommen, aber immer so getan, als ob eine Neuauszählung aussichtslos sei.
Sie haben von einem weiteren Problemkreis gesprochen. Worum geht es bei diesem?
Dabei geht es um die Stimmen der Auslandsdeutschen. Zur Wahl registrierten sich 213 000, um per Briefwahl zu wählen. Wenn man im Ausland lebt, muss man sich registrieren. Daraufhin bekommt man die Wahlunterlagen zugeschickt, füllt sie aus und schickt sie wieder zurück. Dann verlässt man sich darauf, dass das klappt. Aber wir hatten wie erwähnt nur sehr kurze Fristen, damit waren alle extrem gefordert. In anderen Staaten besteht die Möglichkeit, in der Botschaft oder dafür ausgewiesenen Orten im jeweiligen Aufenthaltsland abzustimmen. Für Deutschland gibt es das nicht.
Jetzt hat sich herausgestellt, dass eine grosse Anzahl von Auslandsdeutschen ihr Wahlrecht nicht wahrnehmen konnten, obwohl der Staat sie im Glauben gelassen hatte, dass über die Registrierung die Briefwahl im Ausland möglich sei. Dagegen wird jetzt juristisch argumentiert, dass es kein verfassungsrechtlich gestütztes Recht auf eine bequeme Wahl gebe, man hätte ja auch nach Deutschland kommen können. Das ist zwar nicht ganz falsch, aber in dem Augenblick, wo der Staat mir versichert, man könne sich registrieren, bekomme daraufhin die Wahlunterlagen zugestellt und könne so sein Wahlrecht ausüben, dann muss ich mich doch darauf verlassen können, dass das funktioniert. So wurden mehrere 10 000, vielleicht sogar über 100 000 um ihr Wahlrecht gebracht.
Schickt einem dann die jeweilige Botschaft die Wahlunterlagen zu?
Nein. Den Antrag auf Briefwahl muss man an die Gemeinde, in der man zuletzt gewohnt hat, schicken, und diese ist für den Versand der Wahlunterlagen zuständig. Manche Gemeinden haben sich mehr Zeit gelassen, andere Gemeinden haben ein privates Unternehmen damit beauftragt, nachdem sie den Antrag eine Woche haben liegenlassen und so weiter. Es gibt tausend Wege, die nicht eruierbar sind. Der deutsche Botschafter in London hat selbst getwittert, er habe seine Wahlunterlagen nicht bekommen und habe so nicht wählen können. London ist postalisch sicher gut erreichbar. Andererseits kann es natürlich schon sein, dass die Postzustellung länger geht, wenn man irgendwo auf einer griechischen Insel lebt.
Aber es wird noch viel bunter. 213 000 haben sich registrieren lassen, aber niemand weiss, wieviel von diesen Personen tatsächlich gewählt haben. Es ist also nicht eruierbar, wer abgestimmt hat. Ich habe dazu eine Anfrage im Bundestag gemacht: «Wieviele von den 213 000 Auslandsdeutschen, die sich registriert hatten, konnten von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen?» Die Antwort lautete: «Diese Daten werden nicht erhoben. Es gibt keine Rechtsgrundlage für eine Erhebung und im übrigen würde es das Wahlgeheimnis beinträchtigen.» Letzteres ist Quatsch. Es weiss niemand, wie viele gewählt haben, vielleicht die Hälfte, vielleicht mehr. Wenn schon der deutsche Botschafter nicht wählen durfte, der wahrscheinlich die Fristen eingehalten hat, dann ist das schon sehr krass.
Das ist doch ein weiterer möglicher Stimmenverlust für das BSW.
Wenn wir den ersten Problemkreis beachten, bekommt das BSW vielleicht noch einige Stimmen gutgeschrieben. Es kann sein, dass wir dadurch die fehlenden rund 9000 Stimmen bekommen. Wenn wir die Neuauszählung erwirken können, kann es dennoch sein, dass vielleicht noch einige Stimmen fehlen. Wenn 100 000 Auslandsdeutsche das Wahlrecht nicht wahrnehmen konnten, dann sind die fehlenden Stimmen natürlich mandatsrelevant. Bei einer Klage vor dem Verfassungsgericht geht es immer darum, ob es mandatsrelevant ist.
Ist es nicht zwingend, dass nochmals ausgezählt werden muss?
Doch, ich halte das für zwingend. Das Problem in Deutschland ist das sogenannte zweistufige Verfahren: Wir müssen zunächst Beschwerde beim Bundeswahlausschuss des Parlaments einreichen. Der setzt sich aus den Parteien zusammen, die kein Interesse an der Neuauszählung haben, und kann sich Zeit lassen. Erst danach können wir juristisch dagegen vorgehen, das kann dauern. Würden wir dann Recht bekommen und eine Neuauszählung ergäbe tatsächlich mehr als 5 Prozent, dann wäre die aktuell geplante Regierung nicht rechtmässig im Amt, da sie keine Mehrheit hätte. Eine Neuauszählung ist also auch geboten, um hier Rechtssicherheit zu haben.
Man kann das fast nicht glauben. Braucht es in Deutschland in Zukunft Wahlbeobachter, die kontrollieren, ob alles mit rechten Dingen zu und her geht, ob richtig ausgezählt wird und so weiter?
Ja, das sind schon schwerwiegende Verstösse, und es wäre gut, wenn die internationalen Organisationen, die sich mit Wahlen beschäftigen, etwa Europarat und OSZE in Deutschland genauer hinschauen würden. Ich werde das in den nächsten Wochen dort thematisieren.
Wenn man die Situation mit der in Georgien vergleicht, dort wurde viermal ausgezählt und dennoch focht die EU – auch Deutschland – das Ergebnis an. Wie ist das zu erklären?
Dabei geht es primär um Geopolitik. Die georgische Regierung möchte sich nicht an der Konfrontation mit Russland beteiligen und soll deshalb weg. In Deutschland stört das BSW die gigantischen Aufrüstungsprogramme, deshalb wird hier nicht so genau hingeschaut. Was wir in Deutschland in den letzten Jahren zudem feststellen können, ist eine wachsende Schlampigkeit in staatlichen administrativen Vorgängen. Das kann man in Verwaltungsabläufen feststellen. Das ist bei den auch Wahlen feststellbar. Man nimmt die demokratischen Abläufe nicht mehr so ernst. Wir haben doch eine «perfekte Demokratie», da muss man nicht so genau hinschauen.
Wir hatten jetzt zum Beispiel Wahlzettel für Berlin, die wurden nach Saarbrücken verschickt. Bei der letzten Berliner Wahl musste diese wegen organisatorischer Mängel wiederholt werden. Die organisatorische Qualität und Gewissenhaftigkeit bei der Durchführung einer Wahl, nimmt in Deutschland ab.
Wenn ich das mit Georgien vergleiche, wo ich als Wahlbeobachter war, fällt auf, mit welcher Akribie und Gewissenhaftigkeit dort jede Stimme überprüft wird. Wahlbeobachter aller Parteien waren in jedem Wahllokal anwesend, zusätzlich noch ausländische Wahlbeobachter und NGOs, die sich darauf spezialisieren, alles zu beobachten. In Deutschland finden wir diese Sorgfalt nicht.
Die «neuen» Demokratien, die nach der Zeit des sogenannten Sozialismus entstanden sind, in dem es keine freien Wahlen gab, machen das äusserst genau. In Deutschland ist a priori «alles gut», da muss man auch nicht immer alles so ernst nehmen. Wenn eine Stimme falsch zugeordnet wird, kann das ja mal passieren. Das ist Ausdruck dieser Schludrigkeit, die man zunehmend beobachten kann.
Als zweites kommt hinzu, dass es eine sehr polarisierte Wahl war und es aufgrund der Kriegssituation in der Ukraine in Teilen der Bevölkerung einen richtigen Hass auf das BSW, auch auf die AfD, gibt, was auch auf die Wahlverantwortlichen ausstrahlt, und man im Zweifel mal eine Stimme durchrutschen lässt. Unter dem Strich ist es eine Vermischung aus verschiedenen Vorgängen und Einflüssen, ohne dass ich jetzt sagen kann, die Unregelmässigkeiten seien bewusst von zentraler Stelle orchestriert worden.
Stellen wir uns einmal vor, das BSW rutscht tatsächlich noch in den Bundestag. Was hätte das für Folgen für die Zusammensetzung des Parlaments?
Wenn wir doch noch in den Bundestag einziehen würden, könnte die Regierung, die sich gerade bildet, so nicht gebildet werden, denn dann reicht es CDU und SPD nicht für eine Mehrheit. Es müssten die Grünen mit in die Koalition aufgenommen werden. Ein Teil der Koalitionsverhandlungen beinhalten weitreichende Grundgesetzänderungen, die noch vor der Konstituierung der neuen Regierung in den nächsten zwei Wochen verabschiedet werden sollen. Es geht um Kriegskredite von 400 Milliarden Euro und 500 Milliarden für die Infrastruktur, also insgesamt 900 Milliarden Euro Schulden.
Die Schuldenbremse soll dafür abgeändert werden. Alles, was über ein Prozent der Militärausgaben geht, soll von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Die neue Regierung hat das verabredet, will es aber mit den Stimmen des alten Bundestags durchzusetzen. Man braucht für die Grundgesetzänderung eine Zweidrittelmehrheit, und im neuen Parlament würde diese auch ohne uns nicht erreicht. Die Linke und die AfD haben eine Sperrminorität, und wenn wir noch in den Bundestag kämen, würde es für die neue Regierung noch schwieriger. Jetzt soll also der alte Bundestag nochmals zusammentreten, um diese Grundgesetzänderung durchzubringen.
Ist das verfassungskonform?
Nach der Verfassung in Deutschland gibt es ein Prinzip, dass es keine parlamentsfreie Zeit geben darf. Es muss sozusagen immer ein Parlament verfügbar sein. Das ist grundsätzlich richtig. Deshalb ist der alte Bundestag bis am 25. März im Amt, um auf politische Entwicklungen reagieren zu können. Diese Regelung wird jetzt missbraucht, um eine Grundgesetzänderung von historischer Dimension zu beschliessen. Dafür ist die Möglichkeit eigentlich nicht vorgesehen. Der Skandal liegt darin, dass die zukünftige Regierung den Bundestag in der alten Zusammensetzung aktiviert, um die Verfassungsänderung durchzusetzen. Wenn wir jetzt doch noch in den Bundestag einziehen würden, dann käme die neue Regierung aus SPD und CDU gar nicht zustande. Deshalb ist der Druck massiv und das Interesse enorm, die Neuauszählung zu verhindern. Das ist ziemlich krass und hat mit Demokratie und der Umsetzung des Volkswillens nichts mehr zu tun. Wir müssen auch in den sogenannten alten Demokratien um die Demokratie kämpfen.
Herr Bundestagsabgeordneter Hunko, vielen Dank für das Gespräch.
Interview Thomas Kaiser