von Heinrich Frei
Wird die Friedensbotschaft des neuen Papstes Leo XIV. verhallen, der «Nie wieder Krieg!» forderte und verlangte, die Kriege in der Ukraine, im Gaza-Streifen, im Sudan und die über 100 weiteren Kriege zu beenden? Wird weiter getötet und aufgerüstet?
Der beispiellose Anstieg der Militärausgaben im letzten Jahr zeigt: Es wird angenommen, dass es wieder Kriege geben wird. Deshalb wird aufgerüstet nach dem Grundsatz: «Wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor.» Die Jugend soll wieder «kriegstüchtig» werden, und in vielen Ländern wird die Einführung der Kriegsdienstpflicht diskutiert. In Deutschland setzt der grösste Rüstungskonzern, Rheinmetall, auf Rüstung statt auf E-Mobilität. Er stellt zivile Standorte auf Militärtechnologie um.1
SIPRI Buchhaltung: Kriege, Militär, Rüstung
Laut dem «Stockholm International Peace Research Institute» (SIPRI) war 2024 ein enormer Anstieg der Militärausgaben zu verzeichnen. Sie stiegen gegenüber 2023 von 2443 Milliarden US-Dollar um 9,4 Prozent auf 2718 Milliarden US-Dollar. Es war der stärkste Anstieg gegenüber einem Vorjahr seit dem Ende des Kalten Krieges.
Xiao Liang, Forscher beim SIPRI-Programm für Militärausgaben und Waffenproduktion schreibt: «Über 100 Länder auf der ganzen Welt haben ihre Militärausgaben im Jahr 2024 erhöht. Da die Regierungen der militärischen Sicherheit zunehmend Priorität einräumen, oft auf Kosten anderer Haushaltsbereiche, könnten die wirtschaftlichen und sozialen Kompromisse in den kommenden Jahren erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaften haben».
Militarisierung Deutschlands
«Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung wurde Deutschland zum Land in Westeuropa mit den höchsten Militärausgaben, was auf den 2022 angekündigten Verteidigungssonderfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro zurückzuführen ist», sagte Lorenzo Scarazzato, Forscher beim SIPRI-Programm für Militärausgaben und Rüstungsproduktion. «Die jüngste Politik in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern deutet darauf hin, dass Europa in eine Phase hoher und steigender Militärausgaben eingetreten ist, die wahrscheinlich in absehbarer Zukunft anhalten wird.»2
Immer höhere Militärausgaben
Der Anteil der Militärausgaben an den Staatsausgaben stieg global im Jahr 2024 auf 7,1 Prozent. Die weltweiten Militärausgaben pro Person waren mit 334 US-Dollar die höchsten seit 1990. Pro Tag macht das 0,92 US-Dollar aus. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lebten rund neun Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut, das heisst, ihnen standen weniger als 2,15 Dollar pro Tag zur Verfügung.
Der seit zehn Jahren anhaltende Anstieg der weltweiten Militärausgaben kann teilweise auf Ausgabensteigerungen in Europa zurückgeführt werden, vor allem durch den anhaltenden Russland-Ukraine-Krieg und im Nahen Osten aufgrund des Gaza-Krieges und grösserer regionaler Konflikte. Viele Länder haben sich ausserdem verpflichtet, die Militärausgaben zu erhöhen, was in den kommenden Jahren weltweit zu einem weiteren Anstieg der Militärausgaben führen wird.3
Das SIPRI ist mit seinen 50 bis 60 Mitarbeitern der Buchhalter der Kriege, der Militär- und der Rüstungsausgaben. Die Kosten der Institution SIPRI werden zur Hälfte von der schwedischen Regierung übernommen. Diese Regierung erlaubte es 2024 der schwedischen Rüstungsindustrie, dass für 29 Milliarden Kronen (3 Milliarden USD) Kriegsmaterial exportiert werden konnte, 63 Prozent mehr als 2023.4
Militärbudget USA: sechsmal grösser als das russische
Die Zahlen von SIPRI sind sehr wichtig. Sie bringen vielleicht einige Politiker zur Besinnung, wenn sie noch weiter aufrüsten wollen, um – wie sie sagen – mit mehr Waffen und Soldaten «den Frieden zu sichern». SIPRI dokumentiert zum Beispiel, dass 2024 die Militärausgaben der USA 997 Milliarden US-Dollar betrugen und die von Russland 149 Milliarden US-Dollar, also über sechsmal weniger. SIPRI zeigte auch, dass Deutschland, Grossbritannien, Frankreich und Italien zusammen 273 Milliarden US-Dollar für das Militär aufwenden, 1,8 - mal mehr als «der Feind» Russland.
Allerdings schränkt SIPRI ein, dass Russlands Militärbudget «zunehmend undurchsichtig» geworden sei und das Land vermutlich mehr aufwende, als diese Schätzung angebe. Schätzungsweise 19 Prozent aller Ausgaben der russischen Regierung seien 2024 ins Militär geflossen.
Ausmass an Aufrüstung vernünftig?
Sehr seltsam ist, was der SIPRI-Chef, Dan Smith, sagte: «Nun werden auch in Europa – mit einiger Verzögerung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine – die Verteidigungsausgaben deutlich erhöht. Viele Länder konstatieren gravierende Lücken in ihrer Verteidigungsfähigkeit.» Das aktuelle Ausmass an Aufrüstung erachtet Smith daher als vernünftig.
Was würde passieren, wenn SIPRI, das zur Hälfte vom schwedischen Staat finanziert wird, Stellung nähme gegen die Kriegsmaterialexporte Schwedens an Staaten, die jetzt mit ihren Waffenlieferungen an Israel und die Ukraine zu Kriegsparteien geworden sind?⁵ Was würde passieren, wenn Mitarbeiter von SIPRI die Politik Schwedens der letzten Jahrzehnte ebenso kritisch unter die Lupe nehmen würden wie der deutsche Journalist Dirk Pohlmann5 und der südafrikanische Autor Andrew Feinstein?6 Siehe auch die Dokumentation «Operation Täuschung – die Methode Reagan» von Dirk Pohlmann.7
Welternährungsprogramm fordert 16,9 Mrd. US-Dollar …
Niemand müsste mehr hungern. Alle Kinder dieser Welt könnten in die Schule gehen. Jedermann könnte Hilfe erhalten, wenn er krank und alt wird, wenn ein Bruchteil der weltweiten Militärausgaben von 2718 Milliarden US-Dollar für diese Dinge eingesetzt würden. Aber nur schon bei der Finanzierung des Welternährungsprogramms (WFP) harzt es. In den USA sind die öffentlichen Schulen unterfinanziert, und die Lehrkräfte sind schlecht bezahlt. Sie müssen oft um Hilfe betteln, derweil für die Rüstung 2024 997 Milliarden US-Dollar verbuttert werden.
… Geld, das das Militär in 2 ½ Tagen ausgibt
Das WFP forderte kürzlich rund 16,9 Milliarden US-Dollar, um die eskalierende globale Hungerkrise zu bewältigen. Das entspricht in etwa dem, was die Welt in 2 ½ Tagen für das Militär ausgibt. Finanzierungslücken im Jahr 2024 zwangen das WFP, seine Aktivitäten zu reduzieren, wodurch oft einigen der Schwächsten nicht geholfen werden konnte. Sie verhungerten.8
Die Aufforderung der Mitarbeiter des WFP, 16,9 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen, erfolgte auf die Veröffentlichung des «Global Outlook 2025», in dem der Bedarf an Nahrung ermittelt wird. Nach Angaben des WFP nimmt der Hunger weiter zu: 343 Millionen Menschen in 74 Ländern sind heute von akuter Unsicherheit in der Nahrungsmittelversorgung betroffen – ein Anstieg von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dazu gehören 1,9 Millionen Menschen, die am Rande einer Hungersnot stehen, wobei in Regionen wie Gaza, Sudan, Südsudan, Haiti und Mali katastrophaler Hunger zu verzeichnen ist.
Cindy McCain, Exekutivdirektorin des WFP, beschreibt den Ernst der Lage: «Der weltweite Bedarf an humanitärer Hilfe steigt, angeheizt durch verheerende Konflikte, häufigere Klimakatastrophen und umfangreiche wirtschaftliche Turbulenzen. Doch die Finanzierung kann nicht Schritt halten.» Wie oben schon erwähnt: Finanzierungslücken im Jahr 2024 zwangen das WFP, seine Aktivitäten zurückzufahren.
Bis heute waren die USA als grösste Wirtschaftskraft der Welt mit Abstand der wichtigste Unterstützer des Welternährungsprogramms. Der neue US-Präsident, Donald Trump, hat jetzt die Unterstützung von Uno-Organisationen reduziert, was bereits katastropale Auswirkungen hatte.
Beeinträchtigung der Friedensforschung
Die Arbeit des SIPRI ist sehr wichtig. Aber eine unabhängige Forschung kann erschwert werden, wenn staatliche Institutionen sie finanzieren. Staatliche Stellen sind verhängt mit der Armee, mit der Industrie, mit Banken, mit Kreisen, die daran glauben, der Frieden müsse vor allem mit Waffen gesichert werden, die deshalb auch der Rüstungsindustrie grosszügig die Möglichkeit lassen, Kriegsmaterial zu exportieren.3,4
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«Swisspeace» ist eine Praxis- und Forschungseinrichtung in der Schweiz, die sich der Förderung effektiver Friedensbildung widmet.9 Zu ihren wichtigsten Auftraggebern gehören das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten, der Schweizerische Nationalfonds, das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation sowie nationale und internationale Organisationen, Stiftungen und Denkfabriken.
Swisspeace-Direktor Laurent Goetschel hatte sich in der Sendung SRF-Club skeptisch gegenüber den Auswirkungen eines Hamas-Verbots in der Schweiz geäussert.10 Seiner Ansicht nach würde damit die Tür geöffnet, um weitere Akteure – wie etwa die kurdische PKK – ebenfalls zu Terroristen zu erklären und zu verbieten. Dies würde die Friedenssuche erschweren. Dem Baselbieter Landrat passte diese Stellungnahme nicht.
Er strich «Swisspeace» die 100 000 Franken, die jährlich von 2024 bis 2027 vorgesehen waren. Zu befürchten ist, dass «Swisspeace» auch die Mittel gestrichen würden, wenn diese Institution zum Beispiel für ein Verbot von Waffenexporten an immer wieder kriegführende Nato-Staaten wie die USA und Regime im Nahen Osten wie Saudiarabien eintreten würde.11
Krieg steckt nicht in den Genen
Es wird häufig die Meinung vertreten, Kriege habe es immer schon gegeben und werde es immer wieder geben. Kriege würden durch eine genetische Veranlagung des Menschen zur Gewalt verursacht. Oder man denkt, die heutige Organisation der Gesellschaft führe unweigerlich zu militärischen Auseinandersetzungen. Das heisst, die Ursache von bewaffneten Konflikten liege auch darin, wie die Gesellschaft nach der ersten Periode der Menschheitsgeschichte, der Zeit der Jäger und Sammler, eingerichtet wurde – eine Welt der Landwirtschaft, der Dörfer, der Städte, des Privateigentums, des Oben und Unten, der Hierarchien. Diese Thesen wurden inzwischen widerlegt.
Heute wäre eine umfassende Friedensforschung unter Einbezug aller Wissenschaften nötig, um Kriege zu verhindern. Archäologen, Anthropologen, Historiker und Biologen haben dazu schon einen Anfang gemacht. Sie sind zum Schluss gekommen: Kriege werden nicht durch eine genetische Veranlagung des Menschen zur Gewalt verursacht, sondern sie sind kulturelle Irrwege der Menschheit, die in Zukunft vermieden werden könnten. Die Forscher stellten auch fest, dass Kriege erst im letzten Prozent der Menschheitsgeschichte aufgetreten sind. Historiker erinnern auch: In geschichtlich überlieferten Perioden lebten viele Völker lange friedlich, ohne kriegerische Konfrontationen.12
Zu diesem Thema wurden in den letzten Jahren eindrückliche Bücher veröffentlicht, die die Menschheitsgeschichte vom Kopf auf die Füsse stellen. Rutger Bregmann verfasste das Buch «Im Grunde genommen gut, eine neue Geschichte der Menschheit», (Rowohlt 2021), David Graeber und David Wengrow die Untersuchung «Anfänge, eine neue Geschichte der Menschheit» (Klett-Cotta 2022) und Harald Meller. Kai Michel und Carl van Schaik die Dokumentation «Evolution der Gewalt». (dtv 2024) ■
Grafiken, Tabellen und Texte von SIPRI sind hier zu finden: https://www.sipri.org/media
Keine Schweizer Waffen für die Feuer der Kriege
hf. Der Ständerat der Schweiz will Kriegsmaterialexporte in 25 Ländern grundsätzlich erlauben. Nach den Vorschriften des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial durften Rüstungsgüter bisher nicht in Länder exportiert werden, «die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind, in denen Menschenrechte systematisch verletzt werden, in dem das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird oder die Rüstungsgüter an einen unerwünschten Empfänger weitergegeben werden.»
Doch die Praxis sah in den letzten Jahrzehnten anders aus: 2024 und früher exportiere die Schweiz Kriegsmaterial auch an Staaten die direkt am Krieg im Jemen beteiligt waren, nach Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, nach Bahrein und Katar. Auch an Länder, die den Krieg im Jemen massgeblich logistisch unterstützt hatten, verkaufte die Schweiz Waffen, den USA, Frankreich und Grossbritannien.
Trotz dem ersten und zweiten Tschetschenienkrieg, der die Russische Föderation führte, wurde von der Schweiz Russland von 1997 bis 2022 für 104,5 Millionen Franken Kriegsmaterial und besondere militärische Güter geliefert (Erster Tschetschenienkrieg 1994 bis 1996, Zweiter Tschetschenienkrieg 1999 bis 2009).
Seit 1990/91 gab es fünf grosse, westlich geführte Kriege: 1990 im Irak, 1999 in Jugoslawien, 2001 bis 2021 in Afghanistan, 2003 bis 2012 erneut im Irak und 2011 in Libyen. Die Schweiz lieferte den kriegführenden Staaten trotzdem laufend Rüstungsgüter.
Die USA, Deutschland, Italien und weitere Nato-Staaten sind heute durch ihre Waffenlieferungen an Israel, und auch an die Ukraine, in einen «bewaffnete Konflikt verwickelt.», Israel könnte ohne die Bomben, Granaten und Jets keinen Tag Krieg führen, auch nicht jetzt gegen den Iran.
Der Bundesrat und das Parlament der Schweiz müssten das Kriegsmaterialgesetz respektieren und deshalb Waffenexporte an diese Länder stoppen, und nicht praktisch das Gesetz abschaffen. Frieden wird nicht mit Waffen geschaffen. Die Schweiz als neutrales Land sollte sich mit Initiativen zu Friedensverhandlungen stark machen, nicht noch mehr Schweizer Waffen in die Feuer von Kriegen werfen.
- https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189328.expansion-bei-rheinmetall-rheinmetall-setzt-auf-ruestung-statt-e-mobilitaet.html ↩︎
- https://www.sipri.org/media/press-release/2025/unprecedented-rise-global-military-expenditure-european-and-middle-east-spending-surges ↩︎
- https://www.sipri.org/sites/default/files/2025-04/2504_fs_milex_2024.pdf ↩︎
- https://swedenherald.com/article/new-record-for-swedish-arms-exports ↩︎
- https://dirk-pohlmann.online ↩︎
- https://www.andrewfeinstein.org ↩︎
- https://archive.org/details/operation-tauschung-die-methode-reagan ↩︎
- https://news.un.org/en/story/2024/11/1157336#:~:text=The%20World%20Food%20Programme%20%28WFP%29%20on%20Friday%20called,Outlook%202025%2C%20which%20assesses%20global%20food%20security%20needs. ↩︎
- www.swisspeace.ch ↩︎
- https://medien.srf.ch/-/%25C2%25ABclub%25C2%25BB-eskalation-in-nahost-wie-weiter- ↩︎
- https://bajour.ch/a/swisspeace-absage-ein-angriff-auf-die-forschung-und-meinungsfreiheit ↩︎
- https://www.nzz.ch/feuilleton/experten-zur-evolution-kollektiver-gewalt-krieg-ist-nicht-genetisch-bedingt-ld.1857455 ↩︎