Die Neutralitätsinitiative als Schweizer Beitrag zu einer starken Friedensbewegung

von Dr. phil. Henriette Hanke Güttinger

In den Ländern des Südens hört man die englischen Kriegstrommeln und ruft dazu auf, mit einer starken Friedensbewegung der Kriegstreiberei, dem Militarismus und dem Krieg ein Ende zu setzen. In Europa geniesst man den Beginn des Sommers, viele taub und blind für das, was sich da zusammenbraut, der Propaganda sei Dank. Auch eine Friedensbewegung formiert sich, in der Schweiz beispielsweise mit der Neutralitätsinitiative.

Um in Europa politisch auf dem Laufenden zu sein, lohnt es sich, Medien aus Ländern des globalen Südens zu konsumieren, so zum Beispiel Telesur, das am 2. Juni 2025 berichtete, dass der venezolanische Präsident Maduro die Kriegspläne des englischen Premierministers Starmer auf das Schärfste kritisiert habe.1 «Nein zum Krieg, ja zum Frieden und zur Gerechtigkeit, ja zu einer multipolaren Welt», so Maduro. Hintergrund für die Kritik sind die Pläne Englands, die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen, die Armee zu modernisieren und die nukleare Abschreckung zu verschärfen, um damit einen Krieg vorzubereiten. Es sei Wahnsinn, so Maduro, wenn Europa von einem Krieg spreche. «In wessen Namen spricht er (Starmer)?

Im Namen einer völlig dekadenten, abgehalfteteren Elite und der Geschäfte, die sie mit der Waffenherstellung machen», sagte Maduro und rief die Menschen weltweit dazu auf, eine starke Bewegung «gegen Kriegstreiberei, gegen Militarismus und Krieg» aufzubauen. Unsere Welt brauche Frieden und keinen Krieg. Recht hat er.

Und in Europa?

In den Ländern des Südens hört man die Kriegstrommeln und formuliert ungeschönt, was gespielt wird. Und in Europa? In Europa scheint man taub und blind zu sein. Man freut sich auf den Sommer, auf die Ferien, auf’s Grillieren. Alles ist wieder gut. Coronamassnahmen gibt es schon lange nicht mehr, und wir haben ja all unsere Freiheiten zurück. Wenn man jetzt die Frage der Neutralitätsinitiative zur Sprache bringt, ist das Thema für viele noch nicht aktuell und hat wenig Dringlichkeit.

Kriegsvorbereitungen …

Übersehen werden dabei die westlichen Kriegsvorbereitungen, die schon länger laufen. Im März 2022 hatten die Ukraine und Russ­land in Istanbul einen Monat nach Kriegsbeginn einen unterschriftsreifen Friedensvertrag formuliert. Der damalige englische Premierminister Boris Johnson flog nach Istanbul und machte Selenskyj klar, dass der Krieg weitergeführt wird. Damit war der Friedensvertrag vom Tisch, der Krieg ging weiter und das sogenannte «Friedensprojekt Europäische Union» wurde scheibchenweise propagandistisch auf Krieg umgepolt.2 Im

Volksmund nennt sich das Salamitaktik. Hätten Grossbritannien und die EU ihren Plan, Krieg zu führen, im März 2022 öffentlich gemacht, wäre dieser von den Menschen in Europa empört, entschieden und grossmehrheitlich mit einem «Meine Söhne gebe ich nicht!!!» zurückgewiesen worden. Aus diesem Grunde mussten Vernunft und klares Denken mittels ständiger berieselnder medialer Propaganda eingeschläfert werden.

Dass Kriege nur durch Verhandlungen gelöst werden können, ist unterdessen vielerorts vergessen oder wird gar nicht mehr in Betracht gezogen. «Verhandlungen? Nein, Waffen liefern!», hört man jetzt bereits schon von bekennenden Pazifisten auch in der Schweiz … Wo bleiben Uno-Charta, Völkerrecht und die Guten Dienste der Schweiz als Quintessenz unserer Neutralität, einfach weggewischt durch gezielte Propaganda?

… exemplarisch in Deutschland

In Deutschland zeigt sich besonders deutlich, wie eine Bevölkerung langsam aber stetig daran gewöhnt wird, wieder Krieg zu führen.3 Seit langem wird über die Lieferung von Taurus Marschflugkörpern von Deutschland an die Ukraine diskutiert.4

2024 liess der sozialdemokratische Kriegsminister Pistorius verlauten: «Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein».5 Am 22. Mai 2025 meldete die NZZ, dass eine deutsche «Kampfbrigade» von 5000 Mann in Litauen stationiert werden soll. Die ersten Soldaten sind bereits dort eingetroffen. «Damit verlässt Deutschland endlich seine sicherheitspolitische Komfortzone», frohlockte die NZZ. Propagandistisch wird uns das als «Zeitenwende» verkauft.

Kanonenfutter bereitstellen

Unterdessen wird in Deutschland diskutiert, dass der Wehrdienst wieder Pflicht werden muss, ein Menetekel für deutsche Männer, Frauen und Eltern. Was das konkret für die Deutschen bedeuten könnte, ist in der FAZ vom 15. März 2025 zu lesen im Artikel des Historikers Egon Flaig zum Thema «Krieg und Werte» unter dem Titel «Kann die Demokratie ohne Opferbereitschaft überleben?»

Auf X ist Egon Flaig auch im Original zu sehen und zu hören: «Die Unwilligkeit von Eltern, ihre Kinder als Soldaten zu sehen, das heisst: Als Mitglieder des Gemeinwesens, die eventuell geopfert werden für das Gemeinwesen, die geopfert werden für die Aufrechterhaltung unseres Lebens, so wie wir es weiter pflegen wollen – dieser Wille, dieses Opfer auch bringen zu wollen, ist ein schmerzliches.»6

Dazu muss gesagt werden, dass es hier nicht um die Verteidigung von Deutschland im Rahmen seiner Landesgrenzen geht. Dass diese konkret geschützt werden sollen, dagegen ist nichts einzuwenden. Aber hier geht es nicht um die Verteidigung des eigenen Landes. Hier geht es um Kriegsplanung unter Führung von EU und Nato. Mit der Stationierung der deutschen Kampfbrigade in Litauen, der so genannten Nato Ostflanke, stellt ein nützlicher Idiot namens Deutschland bereits junge Männer und Frauen als künftiges Kanonenfutter zur Verfügung.7

Und die Schweiz?

Und wie ist es mit der Schweiz? Mit der PESCO Vereinbarung mit der EU dürfen bereits fremde Truppen mit Kriegsmaterial durch die Schweiz hindurch, das ist öffentlich. Aber was haben eigentlich unsere Bundesräte mit EU und Nato hinter verschlossenen Türen sonst noch alles abgemacht?

Es ist an der Zeit, dass wir – Citoyens und Citoyennes – in der Schweiz mit der Zustimmung zur Neutralitätsinitiative dem Bundesrat die Definition der Verteidigungspolitik aus den Händen nehmen und ihn damit zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels verpflichten. «Keine Regierung und keine Bataillone vermögen Recht und Freiheit zu schützen, wo der Bürger nicht imstande ist, selber vor die Haustüre zu treten und nachzusehen, was es gibt», hat schon Gottfried Keller, erster Staatsschreiber in Zürich zu Beginn der jungen Schweizer Demokratie, festgestellt.8

Die Schweiz als neutrale Vermittlerin

Mit einer dank der Neutralitätsinitiative differenziert ausformulierten Neutralität in der Verfassung werden wir uns dann wieder als kleines Land auf das konzentrieren können, was unsere Stärke – unsere Raison d’être – ist, wie es so schön im geplanten Verfassungsartikel unter Abs. 4 formuliert ist: «Die Schweiz nutzt ihre immerwährende Neutralität für die Verhinderung und Lösung von Konflikten und steht als Vermittlerin zur Verfügung.» ■

  1. https://www.telesurtv.net/maduro-movimiento-social-contra-guerra/ ↩︎
  2. Die Erkenntnisse sämtlicher Sozialwissenschaften werden dabei auf schändliche Art und Weise missbraucht. ↩︎
  3. Ein exemplarisches Fallbeispiel für erfolgreiche Propaganda kann anhand des völkerrechtswidrigen Krieges der Nato gegen Jugoslawien nachvollzogen werden. Vgl. Becker, Jörg und Beham, Mira: Operation Balkan. Werbung für Krieg und Tod, Baden-Baden: Nomos-Verlag 2006. Jörg Becker: Kriegsmarketing. Die Vermarktung der ex-jugoslawischen Kriege durch US-amerikanische PR-Agenturen https://www.alexanderlanger.org/files/Becker_Kriegsmarketing.pdf
    Die Aussage von Verteidigungsminister Peter Struck vom 11. März 2004: «Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch (Afghanistan) verteidigt», diente der Gewöhnung der Bevölkerung an Auslandeinsätze. ↩︎
  4. https://www.srf.ch/news/international/ukraine/merz-empfaengt-selenski-waere-der-deutsche-taurus-ein-gamechanger-im-ukraine-krieg ↩︎
  5. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw23-de-regierungsbefragung-1002264 ↩︎
  6. https://x.com/Sparkassenmens1/status/1930244062772109438 ↩︎
  7. «Die Bundeswehr beteiligt sich intensiv an den Nato-Aktivitäten an der Ostflanke. Die Allianz ist fest entschlossen, ihre Bürgerinnen und Bürger zu schützen, das Bündnisgebiet zu verteidigen und Freiheit und Demokratie zu sichern. Abschreckung und Verteidigung – insbesondere im Baltikum steht die Bundeswehr dafür bereit und bekräftigt ihre Bündnissolidarität.»
    https://www.bmvg.de/de/themen/dossiers/die-nato-staerke-und-dialog/schutz-der-nato-ostflanke ↩︎
  8. Gottfried Keller: Das Fähnlein der sieben Aufrechten. ↩︎